Anstatt die Nutzung digitaler Medien von Kindern und Jugendlichen zu verteufeln, geht es darum, ihre Mediennutzung zu verstehen und sinnvoll zu begleiten. Wir möchten dich dabei unterstützen, Gespräche zu suchen und Brücken zu bauen – zu deinen Schüler*innen und zu deren Eltern und Bezugspersonen. Diese Gespräche dienen als Fundament, um Beziehungen auf Augenhöhe zu schaffen und ein gegenseitiges Verständnis zu fördern.
Unterschiedliche Mediennutzungstypen
Ein erster wichtiger Schritt ist das Verständnis dafür, dass Games und Social Media ein zentraler Bestandteil des digitalen Alltags von Jugendlichen sind – und das aus guten Gründen! Sie bieten die Möglichkeit, Freundschaften zu pflegen und neue zu knüpfen, Teil einer Gemeinschaft zu sein und die eigene Kreativität auszuleben. Dabei entwickeln Kinder und Jugendliche oft auch wichtige Kompetenzen, die für ihre persönliche und soziale Entwicklung von großer Bedeutung sind.
Ein zweiter Schritt ist das Verständnis dafür, dass Kinder und Jugendliche ganz unterschiedliche Bedürfnisse und damit individuelle Motive für die Nutzung digitaler Medien haben können. Es ist also wichtig, sich durch Gespräche einen Überblick über diese Nutzungsmotive zu verschaffen. Hier setzen wir bei GAMESHIFT NRW an: Wir haben verschiedene Mediennutzungstypen entwickelt, die helfen können, die Bedürfnisse und Motive von Schüler*innen besser zu verstehen. Als Lehrkraft musst du diese Typen nicht im Detail kennen, aber es ist wichtig zu wissen, dass sie existieren und eine sinnvolle Orientierung bieten. Besonders im Austausch mit Eltern und Bezugspersonen kann es hilfreich sein, auf diese Mediennutzungstypen hinzuweisen. Auf unserer Seite für Eltern findest du weiterführende Informationen, Materialien und Hilfsangebote, um Eltern in ihrer Rolle zu unterstützen und ein verstärktes Miteinander zwischen Schule und Zuhause zu fördern.
Bedürfnisse und Gefahren
Wir möchten dich insbesondere darin unterstützen, das Mediennutzungsverhalten deiner Schüler*innen unabhängig von deren Nutzungsmotivation einordnen zu können. Dafür haben wir fünf grundlegende menschliche Bedürfnisse auf Social Media und Games bezogen. Wir zeigen dir, wie digitale Medien diese Bedürfnisse erfüllen und welche Gefahren dabei, zum Beispiel durch exzessive Nutzung, auftreten können.
Dieses Wissen kann dir helfen, die Balance zwischen von dir wahrgenommenen positiven Effekten und möglichen Gefahren bei deinen Schüler*innen besser einzuschätzen und gegebenenfalls im Austausch mit ihnen oder ihren Eltern aufzugreifen.
Klicke auf die Kästen, um mehr über die jeweiligen Bedürfnisse und potenziellen Gefahren zu erfahren.
Social Media
Selbstverwirklichung
- Identität austesten
- Zeit, um für Social Media Inhalte zu produzieren
- Spaß bei der Nutzung oder Erstellung von Content (Inhalte wie z.B. Bilder oder Videos)
- Filter und Effekte verwenden
- Kreativität ausleben
- Trends setzen
- Die Welt mit eigenen Bildern darstellen
- Hobby zum Beruf machen (z.B. Öffentlichkeitsarbeit, Influencer*in, Content Creator*in)
- Vernachlässigung des Lebens durch zeitlichen Fokus auf Social Media
- Falsche Erwartungen an das Leben außerhalb von Social Media
- Druck durch ständige Beobachtung, z.B. durch Follower*innen (Abonnent*innen)
- Druck immer Content liefern zu müssen
- Exzessive Selbstdarstellung
- Überforderung durch eigene Vorbildfunktion
Wertschätzung
- Bestätigung (durch Freund*innen und Follower*innen/Abonnent*innen)
- Selbstdarstellung nach eigener Vorstellung (z.B. Aussehen anpassen, Trends austesten, Posen einnehmen, Tanzen)
- Verständnis für das Hobby
- Abhängigkeit nach Anerkennung und Belohnung
- Vernachlässigung anderer Hobbys
- Entkopplung von sich selbst durch Priorisierung des Ichs auf Social Media
- Ständiger Vergleich mit anderen
- Ständiges Streben nach etwas Besserem
- Negatives Bild auf das Leben außerhalb von Social Media
- Keine Fotos oder Videos ohne Filter und Effekte möglich
Zugehörigkeit
- Bestätigung (durch Freund*innen und Follower*innen/Abonnent*innen)
- Zugehörigkeit zur Freundesgruppe
- Wertschätzendes Miteinander (z.B. in Kommentaren)
- Wachsende, loyale Community (Gemeinschaft)
- Sich von anderen verstanden fühlen
- Andere am Leben teilhaben lassen (z.B. in Livestreams/Livevideos, Stories)
- Am Leben von Anderen teilhaben
- Trends mitmachen (z.B. Aussehen anpassen, Challenges)
- Positive Vorbilder (z.B. Influencer*in)
- Toxisches, übergriffiges und unfaires Verhalten: Rassismus, Queerfeindlichkeit, Hate Speech, Cybermobbing, Sexismus, sexualisierte Gewalt, Cybergrooming (gezielte Anbahnung sexueller Kontakte mit Minderjährigen über das Internet)
- FOMO – Fear Of Missing Out (Angst etwas zu verpassen)
- Hoher Anpassungsdruck, da Angst vor Ausgrenzung
- Vernachlässigung von Kontakten außerhalb von Social Media
- Schwierigkeit außerhalb von Social Media Kontakte zu knüpfen
- Vermeintliche Online-Kontakte und Freundschaften sind nicht echt
Sicherheit
- Accountsicherheit: Sicherheit vor Verlust von Follower*innen, Identitätsdiebstahl
- Sicherer Account: Passwörter, Datenschutzeinstellungen, Privatsphäreeinstellungen
- Einschätzung und Abwägung der Appauswahl durch Eltern oder Bezugspersonen
- Angemessene Einschätzung bezüglich des Mindestalters
- Reflektierte Selbsteinschätzung bei der Appauswahl
- Kontrolle über Ausgaben und Bewusstsein für Geld und In-App-Käufe (kostenpflichtige zusätzliche Inhalte oder Dienste)
- Schutz vor Fremden mit falschen Absichten
- Schutz vor unangemessenen Inhalten
- Safe Space (Wohlfühlort) zum Entfalten
- Identifizierung von Werbung im Content (Inhalte wie z.B. Bilder oder Videos)
- Gefährdeter/gehackter Account und gefährdete Privatsphäre
- Schlechte Erfahrungen in der App durch unpassende Einschätzung bezüglich des Mindestalters, Einschätzung von Eltern, Bezugspersonen oder Selbsteinschätzung
- Leichtfertiges Teilen von Inhalten führt zur Gefährdung der Grenze zwischen privat und öffentlich und damit des persönlichen Safe Spaces (Wohlfühlortes)
- Unkontrollierte Ausgaben, finanzielle Probleme oder erhöhter Konsum durch Werbung
- Teure technische Ausstattung (z.B. Kamera, Apps, Programme)
Gesundheit
- Gesunde Mediennutzung: ergonomische Ausstattung, gesunde Körperhaltung, Abstand zum Bildschirm
- Körperliche Gesundheit: Bewegung, Pausen, bildschirmfreie Zeit, gesundes Körperbild
- Frische Luft
- Gesunde Ernährung
- Schlaf
- Vernachlässigung körperlicher Bedürfnisse (z.B. Essen und Trinken)
- Gefährdung körperlicher Gesundheit: schlechte Haltung, keine ergonomische Ausstattung, keine Pausen, viel Bildschirmzeit, kein oder schlechter Schlaf, negatives Körperbild oder sogar Essstörung, geringe Aufmerksamkeitsspanne
- Anfälligkeit für manipulierende und süchtig machende Elemente in der App (z.B. Infinite Scroll (unendlich viele Social Media Beiträge), Belohnungen für regelmäßiges Einloggen wie z.B. Flammen bei Snapchat)
- Entzugserscheinungen bei Nichtkonsum und starke Emotionen (z.B. Wut, Reizbarkeit, Niedergeschlagenheit, Verzweiflung)
- Abhängigkeit
Games
Selbstverwirklichung
- Identität austesten
- Identifikation mit Avatar, der äußerlich auch anpassbar ist
- Identifikation mit der Geschichte des Spiels
- Zeit zum Spielen
- Spaß beim Spielen
- Wichtige Position innerhalb der Online-Community einnehmen
- Hobby zum Beruf machen (z.B. Gamedesigner*in, Programmierer*in, eSportler*in, Streamer*in, Coach)
- Weiterführende Interessen ausleben können: Cosplay, Anime, Manga, Musik, Besuch von Events und Messen (z.B. gamescom, DoKomi)
- Erfolg (z.B. Verbesserung der Leistung, Aufstieg in Rangliste, Teilnahme an Liga)
- Wichtige Position innerhalb der Gruppe erlangen (z.B. In-Game Leader (IGL))
- Vernachlässigung des Lebens durch zeitlichen Fokus aufs Spiel
- Falsche Erwartungen an das Leben außerhalb des Spiels
- Frustration bei Misserfolg
Wertschätzung
- Bestätigung und Anerkennung (durch Freund*innen und das Spielen)
- Games mit ansprechender Geschichte und Grafik
- Verständnis für das Hobby und die Prinzipien von Gaming (z.B. Spielrunden, die nur schlecht unterbrochen werden können)
- Freiheit im Spiel, um möglichst viel zu erleben und auszutesten
- Fortschritte im Spiel machen
- Belohnungen erhalten (z.B. Punkte oder Geld)
- Abhängigkeit nach Anerkennung und Belohnung
- Vernachlässigen anderer Hobbys
- Entkopplung von sich selbst durch Priorisierung des Avatars
- Extremer Handlungsdruck und innerer Zwang, zu spielen
Zugehörigkeit
- Mit und gegen Freund*innen spielen
- Anschluss und Gleichgesinnte finden
- Zugehörigkeit zur Freundesgruppe
- Sich von anderen verstanden fühlen
- Teilhabe an Online-Communities rund um Interessen (z.B. Online-Foren)
- Präsenz auf Social Media (z.B. Präsentieren von Cosplay-Kostümen)
- Andere am Gamingerlebnis teilhaben lassen (z.B. in Livestreams)
- Positive Vorbilder (z.B. Streamer*in, Cosplayer*in, Gamedesigner*in)
- Wissen über Trends (z.B. aktuelle Games)
- Teamgeist
- Fair Play
- Toxisches, übergriffiges und unfaires Verhalten: Rassismus, Queerfeindlichkeit, Hate Speech, Cybermobbing, Sexismus, sexualisierte Gewalt, Cybergrooming (gezielte Anbahnung sexueller Kontakte mit Minderjährigen über das Internet)
- FOMO – Fear Of Missing Out (Angst etwas zu verpassen)
- Vernachlässigung von Kontakten außerhalb des Spiels
- Schwierigkeit außerhalb des Spiels Kontakte zu knüpfen
- Vermeintliche Online-Kontakte und Freundschaften sind nicht echt
- Anfälligkeit für manipulierende und süchtig machende Elemente im Spiel (z.B. Pyramidensystem, soziale Verpflichtungen)
- Hoher Anpassungsdruck, da Angst vor Ausgrenzung
Sicherheit
- Accountsicherheit: Sicherheit vor Verlust von Spielstand, gekauften Skins, Identitätsdiebstahl
- Sicherer Account: Passwörter, Datenschutzeinstellungen, Privatsphäreeinstellungen
- Angemessene Einschätzung der USK bezüglich gesetzlicher Alterskennzeichen
- Einschätzung und Abwägung der Spielauswahl durch Eltern oder Bezugspersonen
- Reflektierte Selbsteinschätzung bei der Spielauswahl
- Kontrolle über Ausgaben und Bewusstsein für Geld, In-Game-Währung (Währung im Spiel) und In-Game-Käufe (kostenpflichtige zusätzliche Inhalte oder Funktionen)
- Schutz vor Fremden mit falschen Absichten
- Schutz vor unangemessenen Inhalten
- Gefährdeter/gehackter Account und gefährdete Privatsphäre
- Schlechte Erfahrungen im Spiel durch unpassende gesetzliche Alterskennzeichen, Einschätzung von Eltern, Bezugspersonen oder Selbsteinschätzung
- Unkontrollierte Ausgaben, finanzielle Probleme oder Verlust von Geld (z.B. bei glücksspielähnlichen Elementen
- Anfälligkeit für manipulierende und süchtig machende Elemente im Spiel (z.B. Pay2Win (durch echtes Geld Fortschritt beschleunigen), tägliche Belohnungen, Bestenlisten, Ästhetische Manipulation, soziale Verpflichtungen)
- Teure technische Ausstattung (z.B. Gaming-PC)
Gesundheit
- Gesundes Gaming: ergonomische Ausstattung, gesunde Körperhaltung, Abstand zum Bildschirm
- Körperliche Gesundheit: Bewegung, Pausen, bildschirmfreie Zeit, gesundes Körperbild
- Frische Luft
- Gesunde Ernährung
- Schlaf
- Vernachlässigung körperlicher Bedürfnisse (z.B. Essen und Trinken)
- Körperliche Gesundheit gefährdet: schlechte Haltung, keine ergonomische Ausstattung, keine Pausen, viel Bildschirmzeit, kein oder schlechter Schlaf, negatives Körperbild, geringe Aufmerksamkeitsspanne
- Entzugserscheinungen bei Nichtkonsum und starke Emotionen (z.B. Wut, Reizbarkeit, Niedergeschlagenheit, Verzweiflung)
- Abhängigkeit
Quellen und Informationen zum Modell
Das Modell ist von der Maslowschen Bedürfnishierarchie inspiriert und basiert unter anderem auf dem Gefährdungsatlas der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Im Gegensatz zur Maslowschen Bedürfnishierarchie, bei der alle Bedürfnisse aufeinander aufbauen müssen, haben wir, das Team von GAMESHIFT NRW, eine andere Darstellungsweise gewählt. Diese macht deutlich, dass Bedürfnisse auch unabhängig voneinander erfüllen werden können. Zudem haben wir das ursprüngliche Modell auf Mediennutzung bezogen und so erweitert, dass sowohl wichtige Bedürfnisse als auch Gefahren, die bei der Mediennutzung aufkommen können, betrachtet werden. Das Modell ist von der Maslowschen Bedürfnishierarchie inspiriert und basiert unter anderem auf dem Gefährdungsatlas der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Im Gegensatz zur Maslowschen Bedürfnishierarchie, bei der alle Bedürfnisse aufeinander aufbauen müssen, haben wir, das Team von GAMESHIFT NRW, eine andere Darstellungsweise gewählt. Diese macht deutlich, dass Bedürfnisse auch unabhängig voneinander erfüllen werden können. Zudem haben wir das ursprüngliche Modell auf Mediennutzung bezogen und so erweitert, dass sowohl wichtige Bedürfnisse als auch Gefahren, die bei der Mediennutzung aufkommen können, betrachtet werden.
Die verschiedenen Mediennutzungstypen basieren zudem unter anderem auf Befragungen, die wir im Frühjahr 2024 mit Eltern, Berzugspersonen, Lehrkräften, Schulsozialarbeiter*innen sowie Schüler*innen durchgeführt und ausgewertet haben. Zusätzlich haben wir weiterführende Quellen wie z.B. die JIM-Studie 2023 des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest (mpfs) sowie Qualifizierungen von Gamer*innen-Typen von NewZoo verwendet.